Haushaltsrede der Fraktion 2022

Das zurückliegende Jahr ist geprägt durch Umbrüche. Wir haben alle immer noch die schlimmen Bilder der Hochwasserkatastrophe vor unserer Haustür an der Ahr und der Erft vor unseren Augen. Wetterextreme sind die Auswirkungen unseres modernen Lebensstils und unseres immer größer werdenden globalen CO2-Rucksacks. 

Seit nunmehr mehr als zwei Jahren leben wir in einer Pandemie, welche den Alltag von uns allen komplett umgekrempelt hat und uns zu komplett neuen Gewohnheiten zwingt. 

Wir haben gemerkt wie stark wir immer noch bei der Digitalisierung hinterher sind. Wir haben allerdings auch gemerkt, dass tatsächlich eine Zwangslage vieles in Bewegung setzen kann. Warum versuchen wir nicht auch in Zukunft und genau heute “Berge” zu versetzen? Zwangslagen gibt es viele. Der menschengemachte und wissenschaftlich erwiesene Klimawandel ist eine davon. Wir haben nicht mehr viel Zeit, um das Pariser Klimaabkommen und das 1,5 Grad-Ziel einzuhalten. Das Klima ist nicht korrigierbar. Unser Fokus wird zwangsläufig darauf hinauslaufen müssen, dass wir mehr als einen ausgeglichenen Haushalt zukünftig hinbekommen. Das Bundesverfassungsgericht hat im letzten Jahr ein wegweisendes Urteil getroffen, welches uns allen eine stärkere Verantwortung für künftige Generation beim Klimaschutz zuweist. Wir müssen eine grüne Null hinbekommen. Wir müssen Klimaneutralität hinbekommen – auch bei uns hier in Bad Honnef. Es führt kein Weg daran vorbei an stärkerer Prävention. 

Darum stellen wir zwei Klimaschutz-Anträge in den aktuellen Haushaltsverhandlungen. Wir stellen diese Anträge, weil der Produktbereich 14 Umwelt noch viel zu kurzgefasst ist und zukünftig deutlich mehr Beachtung verlangt. Natürlich kostet Klimaschutz Geld. Jedoch müssen wie für jeden Euro Klimaschutz, welchen wir jetzt investieren, in Zukunft nicht das X-fach draufzahlen. Klimaschutz ist die beste Zukunftssicherung – und zudem wird dieser auch noch sehr stark von Bund und Land gefördert. 

Mit unseren Antrag Dach- und Fassadenbegrünung schaffen wir konkrete Anreize, welche das Mikroklima in dicht bebauten Bereichen unserer Stadt deutlich verbessert. Flächenversiegelung bleibt ein reales Problem, welches wir weiter proaktiv bekämpfen müssen. Die Dach- und Fassadenbegrünung kann zur geringeren Aufheizung im urbanen Bereich, verzögerten Einleitung von Niederschlagswasser bei den zunehmenden Starkregenereignissen und den Erhalt der Biodiversität beitragen. Viele Kommunen fördern seit Jahren die Dach- und Fassadenbegrünung oder indirekt Anreize über die Berücksichtigung begrünten dieser Flächen bei der Abwassergebühr mehr Anreize geschaffen als Bad Honnef. Jetzt gilt es erstmal Motivation zu fördern und Bewusstsein zu schärfen. 

Unser zweiter Antrag beschäftigt sich mit der öffentlichen Photovoltaik-Infrastruktur in unserer Stadt. Den Ausbau könnte auch die Bad Honnef AG übernehmen und damit unseren städtischen Haushalt nicht stärker belasten. Die Realität ist allerdings, dass die Bad nur Kommunen oder andere Gebietskörperschaften mit bis zu 90% gefördert werden. Somit schlagen wir umweltfreundlich und ökonomisch zwei Fliegen mit einer Klappe. Wir können die Photovoltaik-Infrastruktur auf den Dächern unserer öffentlichen Infrastruktur platzieren und Expert:innen der Bad Honnef AG einbinden, welche dann unseren nachhaltigen Strom gewinnbringende nutzen können. Gewinne von denen der städtische Haushalt profitieren kann. So schaffen wir noch mehr erneuerbaren Strom und werden zunehmend autonomer und halten Kurs auf das mutige 80% erneuerbare-Energien-Ziel der Bundesregierung bis 2030. Alleine 100.000 € Investition in Photovoltaik-Anlagen auf kommunalen Gebäuden könnte auch ohne Förderung, bei eigener Nutzung des produzierten Stroms, die Stromrechnung um ca. 11.000 €/Jahr reduzieren und die C02-Emission um etwa 16 Tonnen verringern. 

Jetzt zu unserem ersten Gemeinwohl-Antrag: Unsere Stadt hat seit letztem Jahr keine Geburtsstation mehr. Damit verschwindet zukünftig der Geburtsort Bad Honnef aus vielen Papieren. Der Wegfall der Geburtsstation hat jedoch ernste Konsequenzen für viele Menschen aus dem nördlichen Kreis Neuwied, unseren Nachbarkommunen und selbstverständlich unserer Stadt Bad Honnef. Damit verlängert sich der Weg bis zur Geburtsstation erheblich. In einem besonders sensiblen Moment erhöhen sich damit die Risiken für neues Leben und für Mütter. Viele Städte im Bundesgebiet und auch die dortige Politik unterstützen mittlerweile finanziell lokale Geburtshäuser, welche bestehende Geburtsstationen ergänzen und mit Hebammen arbeiten. Auch wenn wir in Bad Honnef zukünftig keine 500 Geburten pro Jahr haben werden, so haben wir doch die Chance präventiv zu wirken und können bei risikoärmeren Schwangerschaftsverläufen ein attraktives und bedarfsgerechtes Angebot zu schaffen. 

Die Toiletten Infrastruktur in der Sankt-Martinus-Grundschule in Selhof hätte eigentlich bereits vor Jahren komplett saniert werden müssen. Zumindest befand sich nach meiner Erinnerung die Toilette bereits 2003 nicht im Einklang mit der Würde unserer jüngsten Bad Honnefer:inne. Jetzt gilt es die ohnehin geplante Sanierung von 2024 auf 2022 im Zuge der sonstigen Erneuerungsarbeiten auf dem Schulgelände vorzuziehen. 

Im Dezember haben wir uns endlich für eine öffentliche Toilette auf der stark frequentierten Insel Grafenwerth entschieden. Wenn die Resonanz so hoch sein wird wie erwartet, gilt es weiterhin zu evaluieren, welche weiteren Orte in unserer Stadt für eine öffentliche Toilette in Frage kommen. Mein persönlicher Favorit wäre der Bahnknotenpunkt Rhöndorf, weil dort viele von Bus zu Bahn umsteigen und dort auch viele Park-and-Ride-Parkplätze sind, welche Wanderer:innen nutzen, die bei uns im rheinischen Nizza zu Gast sind. Zugleich ist der Bergbereich Bad Honnef ebenbürtig bei der öffentlichen-Toiletten-Infrastruktur zu berücksichtigen. 

Mit Blick auf den Stellenplan haben wir Grünen Sympathien für einen zweiten Beigeordneten statt eines Chief-Digital-Officers. Ein zweiter Beigeordneter ist ein Wahlbeamter und vom Rat für acht Jahre ernannt und somit in erster Linie dem Rat verpflichtet und kann auch dazu beitragen, dass sich zukünftig die Zusammenarbeit zwischen Rat und Verwaltung noch weiter verbessert. Der zweite Beigeordnete könnte neben der Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes zur Digitalisierung und Vernetzung von Verwaltungsleistungen wichtige Akzente bei der Berücksichtigung ökologischer, sozialer und ökonomischer Anforderungen im Rahmen einer integrierten Stadtentwicklung, bei der Nutzung von Geoinformationssystemen für die räumliche Planung und der Digitalisierung der Schulen setzen. 

Bad Honnef sollte sich an Königswinter ein Beispiel nehmen und beim Klimaschutz in der Produktgruppe 14.02 eine weitere Stelle schaffen, um die Herausforderungen des Klimawandels beherzter anzugehen. 

Im aktuellen Stellenplan stören wir Grünen uns am Aufblähen der Stellen in der zentralen Steuerung und zugleich der geringen Wertschätzung gegenüber einfachen Stellen. Das erzeugt unüberhörbar schlechte Stimmung in der Stadtverwaltung und nach außen. Wenn wir dies mit den Haushaltsplänen unserer nördlichen Siebengebirge-Nachbarkommune Königswinter vergleichen, fällt direkt auf, dass die Stellenanteile in den Produktgruppen, welche die zentralen Führungs- und Steuerungsaufgaben übernehmen, bezogen auf die Gesamtzahl der Stellen in Bad Honnef wesentlich höher sind. Somit wäre ein Vorschlag von unserer Seite, dass wir in der Produktgruppe 1.08 „Zentrale Steuerung“ eine Stelle einsparen. 

Die hohe Fluktuation der Mitarbeiter:innen – auch im Vergleich zu vielen anderen Kommunen – deutet darauf hin, dass die Stadt Bad Honnef für ihre Mitarbeiter:innen attraktiver werden muss und stärker auf Bedürfnisse des vorhandenen Personals, wie Anerkennung, Autonomie, Entwicklungsperspektiven, Mobilitätsanforderungen, Arbeitszeitmodelle eingehen muss. Auch weitere Möglichkeiten, bestehende hierarchische Barrieren aufzubrechen und eine stärkere Kultur des Vertrauens und der Verantwortung über alle Beschäftigtengruppen zu etablieren sollten genutzt werden.  

Wir Grünen begrüßen die erforderlichen Investitionen in unsere Bildungslandschaft wie die Modernisierung des Siebengebirgsgymnasiums, den Umbau der Menzenberger Halle mit integriertem Begegnungszentrum und die Rathaussanierung. 

Wir freuen uns über das starke Budget in der Jugendhilfe. Ebenso begrüßen wir, dass die Stadt mit dem kostenlos zugänglichen innovativen Coworking-Space in der Bahnhofstraße sich etwas Neues zutraut. Dies sollte jedoch nicht nur eine Antwort auf die Digitalisierung und geänderte Mobilitätsbedürfnisse in Pandemie Zeiten und darüber hinaus hoffentlich sein. Jetzt gilt es Rahmenbedingungen für einen zukünftig erfolgreichen Betrieb zu setzen.  

Wir sehen auch die Möglichkeit, ohne weitere Erhöhung der Aufwendungen im Haushalt, unsere nachhaltig und präventiv ausgerichteten Anträge durch Einsparungen im bestehenden Haushaltsplanentwurf zu erreichen – wenn der mehrheitliche politische Wille vorhanden ist. Bei den Sach- und Dienstleistungen sehen wir erhebliches Einsparpotenzial in Höhe von insgesamt 400.000 Euro. Reduziert werden könnten 2022 zum Beispiel die Aufwendungen für den Unterhalt und der Sanierung der Insel Grafenwerth von 188.000 Euro um 50.000 Euro auf 138.000 Euro und die Projektentwicklung Selhof-Süd von geplanten 100.000 Euro auf 50.000 Euro und der Gutachter-, Gerichts- und Prüfkosten von 559.000 Euro auf 529.000 Euro. Einsparpotenzial sehen wir auch durch den teilweisen, ggf. gänzlichen Verzicht auf die Umgestaltung der Freianlagen, die im Rahmen des Innen-stadtwettbewerbs geplant sind und für die insgesamt 1,8 Mio. Euro im Haushalt stehen. 

Zudem fehlt uns da als Fraktion immer noch die erforderliche Transparenz über das Gebaren des Kiezkaufhauses.  Da bleibt uns bis heute die Verantwortung wichtige Einblicke in die riesige “Blackbox Kiezkaufhaus” schuldig. 

Was uns ebenfalls sehr negativ aufstößt, sind unnötig teure Symbolprojekte und Luxus-Investitionen wie auf der Insel Grafenwerth. Auch die Komplettsanierung der Stein-Grafenwerth-Brücke erfordert durch die Auslegung auf eine Fahrzeugbelastung über 16 Tonnen hohe Investitionen. Wir Grünen würden uns freuen, wenn die Spardetektive in den anderen Fraktionen das mindestens mal genauso kritisch hinterfragen wie bei sinnvollen Investitionen in Klimaschutz. 

Alles in allem liefert der Haushaltsplanentwurf Licht und Schatten im Sinne unserer Stadt.

Wir als Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen bedanken uns bei der Kämmerin und der Stadtspitze für die Vorbereitung und Verständigung über den Haushalt 2022. 

Frédéric Fraund, Ko-Fraktionsvorsitzender im Februar 2022 

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