Stadtgarten: Neulich im Land des Denkverbots

Kommt ein Flyer vorbei. Selten genug in Bad Honnef, dass mir Menschen politische Informationen und Wahrheiten auf bedrucktem Papier zukommen lassen. Also neugierige Erwartung – denn Lesen macht schlau.

Es sei voreilig, nicht für die Ansiedlung von weniger begüterten Neubürgern und -bürgerinnen entlang der Schnellstraße zu sein. Und es sei Fesselung des eigenen Denkvermögens, die Umwidmung innerstädtischer Grünflächen in versiegelte Gebiete prinzipiell skeptisch zu sehen. Denn so drohten Denkverbote.

Ich versuche, mich schuldig zu fühlen. Was nicht wirklich klappt und zu Läuterung führt. Wir wissen: Es stinkt dort, weil Abgase stinken. Wir wissen: Es ist giftig dort, weil Feinstaub und mindestens sechs chemische Schadstoffe aus den Fraktionen der Monoxide, Dioxide und Anderen heftige Partys feiern. Wir wissen, dass es dort sehr laut ist – so laut, dass das Eisenbahnbundesamt EBA auf seinen Seiten klipp- und klarstellt: Hier kann mensch nicht wirklich wohnen. Denn auch mitten in der Nacht im verriegelten Hausinneren bei geschlossenen Fenstern bricht schlimmstenfalls alldreiminütlich ein derartiger Lärm los, dass sämtliche Richtlinien bis hin zu denen der WHO (d.i. immerhin die Weltgesundheitsorganisation) bei weitem überschritten werden. Falls das noch nicht reicht, wissen wir auch noch: Dort ist Hochwassergebiet, in dem Neubauten unzulässig (und auch definitiv unsinnig) sind; Menschen gedeihen auf Hochwasserflächen nicht zuverlässig, der Rhein braucht das Areal regelmäßig zur Retention seiner Fluten.

Weiterdenken. Der kompakte, aber dicht und hoch bewachsene Streifen Stadtgarten schützt ein nicht unerhebliches Siedlungsgebiet „dahinter“. Gegen Krach und Gifte. Er ist CO2-Senke und Zuhause für allerhand, was kreucht, fleucht, wächst, gedeiht. Und manchmal auch wuchert, denn „ordentlich“ im Sinne rechtwinkliger Beete, geschorenen Rasens, gestutzter Sträucher präsentiert er sich nicht. Er ist eben das, was die Biene will. Was andere Insekten, Vögel oder Nager dem benachbarten Park vorziehen. Er ist sogar unverschämt modern wie seine Verwandte in Kopenhagen, Rotterdam & Co. En vogue und nützlich – eine glückliche Kombination. Er ist gemeint, wenn der Arzt und Moderator Eckart von Hirschhausen sagt: „Da ist unsere Lunge.“

Jetzt, genau jetzt kommt die Sache mit dem Denkverbot. Wie ein paar tausend andere Menschen auch klinke ich mich aus der fortdauernden „vorurteilsfreien Prüfung“ aus und meine: Wir haben genug Erkenntnisse. Sattsam. Entscheidungsfähig. Die Zeit ist reif zum Ausstieg aus diesem minderbegabten Projekt. Das ist nicht unser Ding, gehört nicht in diese Stadt mit ihren (heute noch) anderen Qualitäten.

Allerdings erteile ich mir in der Tat veritable Denkverbote. Lieber nicht jenen Zynismus zu Ende denken, wer denn da zukünftig statt der Bäume Schadstoffe und Feinstaub entlang der Schnellstraße wegatmen soll. Oder: Wes Geistes Kind ist Jemand, der den Pferch an KFZ-Piste und Bahn phantasievoll „Neues Wohnen im Grünen“ nennt? Und über die jüngste Denkfigur eines besonders Schlauen, generell einen „schmalen“ Regel entlang der Schnellstraße auch über den Stadtgarten hinaus zu errichten, denkt mensch besser gar nicht erst nach.

Im Prinzip drängt sich so etwas wie eine Diagnose auf: Wer unter den bereits bekannten Umständen hier immer noch planen und bauen will, erteilt sich selbst ein Denkverbot. Bei solchen Kontraindikationen weitermachen zu wollen, scheint auch auf den zweiten Blick kaum klug. Darüber hinaus nicht besonders verantwortungsbewusst.

Eine weitere Diagnose ist vermutlich unstrittig: Wenn das Honnefer Rathaus prüft, dann geht es ums Bauen. Kein Jota weniger. Auch diagnostisch: Bürgerbegehren und Bürgerentscheid dürfen NUR JETZT stattfinden, nur drei Monate nach dem Beschluss zur Bauleitplanung ist dieser Weg zulässig. Gut, dass die Bürgerinitiative so helle war, dieser limitierenden Frist gerecht zu werden. An Floßweg, Sportfläche St. Josef oder Hockey-und Bolzplatz Menzenberg weiß die Anwohnerschaft ein Lied davon zu singen, was denen droht, die diesen rechtlich in Granit gemeißelten Termin verpassen: Keinerlei Berücksichtigung der Bürgermeinung. Egal wie groß deren Mehrheit ausfällt. Egal wie überzeugend deren Argumente sind.

Burkhard Hoffmeister, Sprecher des Ortsverbandes