Gemeinwohl ist die Königsklasse

Ratssitzung zum Haushalt am 12.12.19: Zur Beratung des Haushaltsplanentwurfes für das Jahr 2020 hielt Dr. Gabi Clooth-Hoffmeister, Fraktionssprecherin der Ratsfraktion Liste BÜNDNIS 90/die GRÜNEN die folgende Haushaltsrede (es gilt das gesprochene Wort):

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,

dies ist die letzte Haushaltsrede der Wahlperiode. Da macht eine generelle Sicht auf die aktuelle und mittlerweile etablierte Wirklichkeit und Orientierung des Haushalts Bad Honnefs Sinn.

Ein Haushaltsplan ist auch ein in Zahlen gegossenes politisches Programm. Wir vermissen in vielen Bereichen die uns wichtigste Orientierung: die auf das Gemeinwohl!

Die Stadt wird geführt wie ein Konzern. Die Stadt ist aber KEIN Konzern.

Bad Honnef ist nicht Arena für einen Kapitalgeber zwecks Ertragssteigerung. Geführt von Managern, die mit fremdem Geld arbeiten und aus alter Gewohnheit ihre Arbeit auch noch von exquisiten Beraterfirmen erledigen lassen.

Bad Honnef gehört seinen Bürgerinnen und Bürgern. NUR diesen… Alles andere ist Verirrung.

Unsere Leitidee ist die Orientierung auf das GEMEINWOHL.

Darum soll es gehen. So will es das Gesetz, so will es die Bürgerschaft.

Es geht um TRANSPARENZ. Und es geht um PARTIZIPATION.

Eine Stadtregierung, die sich danach richtet und genau das organisiert, macht es richtig.

Eine Stadtregierung, die gern Dinge vor der „weniger kompetenten“ Bevölkerung geheim hält und Wagenburgmentalität praktiziert, macht es falsch.

Eine Stadtregierung, die Bürgerinitiativen als störend empfindet oder gar verunglimpft, macht es ganz falsch.

In anderen Städten wird der politische Wille zur Bürgerbeteiligung durch Dialogportale und Antragsrechte aktiv gefördert.

Der „Dialog Bad Honnef“ ist zu einer Marke mutiert, die Entscheidungsrecht und Beteiligung den Bürgerinnen und Bürgern einschränkt. „Dialog Bad Honnef“ – einst wesentlicher Hoffnungsbegriff und Gegenmodell zur kritisierten Art früherer Stadtregierungen – hat heute einen schlechten Ruf. Und erweckt bei seiner Verwendung reflexartig Misstrauen.

Der vorgelegte HH will uns wie in den Vorjahren einreden, dass alles „knapp auf Kante“ genäht sei und weitere Steuererhöhungen notwendig sein werden.  Schauen wir uns die Planungen jedoch genauer an, erinnern diese sowie das Procedere sehr an die Umstände vergangener „Planungen“: Sie sind weder belastbar noch strikt realitätsnah.

Exemplarisch sei folgendes genannt:

Wie setzen sich die Sach- und Dienstleistungsaufwendungen in der Produktgruppe 12.01 „Verkehrsflächen“ zusammen. Im alten Haushaltsplan (HHP) 2019 für 2020 waren Aufwendungen in Höhe von 2,167 Mio. € geplant (S. 356), im vorliegenden Haushaltsplanentwurf plötzlich (HHPE) 3,294 Mio. €. Wie erklärt sich die Steigerung um 1,13 Mio. € (+52 %)?

Wie hoch ist hier der Anteil der Aufwendungen für Gutachten, Planungsleistungen, und Sanierungskosten?

Im Haushaltsplan 2019 wurden für Investitionen in 2018 2,441 Mio. € genannt. Wir finden im Haushaltsplanentwurf 2020 an dieser Stelle als Ergebnis für 2018 lediglich 0,3 Mio. €.

Welches Prinzip steckt dahinter? In den letzten Haushaltsreden haben wir mehrfach darauf hingewiesen, was sich nun wieder bestätigt: Künstlich werden Investitionen mit allen Folgen in der Planung hochgerechnet, was die Begründung für Steuer- und Gebührenerhöhungen liefern soll; letztendlich sind die Investitionen dann wesentlich geringer, die Steuer- und Gebühren wurden aber dennoch erhöht und bleiben. So ernährt sich ein HH mit falschen Versprechen.

Zudem werden in der Investitionsplanung des Haushaltplanentwurfs 2020 auch die Entscheidungen der NRW Landesregierung zur Änderung des KAG ignoriert, die voraussichtlich noch 2019 vom Landtag beschlossen werden und die Straßenausbaubeiträge um 50 % reduzieren sollen.

Beileibe nicht nur uns Grüne erschreckt besonders, dass unsere „Stadt im Grünen“ den Klimawandel nicht nur missachtet, sondern regelrecht befeuert.

Denn:

  • Die Abholzung eines Grüngebietes mit zahlreichen Bäumen im Siedlungsgebiet geht gar nicht. Wir verlangen die unbedingte Einstellung dieses grundlegend falschen Projektes im nördlichen Stadtgarten und sparen so zudem sonst vergeudetes Geld.
  • Der aufwändige Umbau eines über 40 Jahre gewachsenen und zudem von seinen Bewohnerinnen und Bewohnern weitgehend selbst gestalteten Siedlungsgebiets in eine Durchgangsstraße passt nicht in die Zeit. Niemand braucht im Floßweg eine abgetrennte Fahrspur für höhere Geschwindigkeiten. Wir erwarten die Beendigung der teuren Planungsarbeiten sowie der Absicht, den Charakter dieser Straße zum Nachteil ihrer Anwohnerinnen und Anwohner zu ändern.
  • Die fehlende Einsicht in die erkennbar hohe Eignung des Frankenwegs als Fahrradstraße verlangt stets neue argumentative Verrenkungen. Neuausrichtung der Planung ist Gebot der Stunde – mit Frankenweg und Rommersdorfer Straße als Nukleus für eine Nord-Süd-Achse des Radverkehrs. Das könnte der Einstieg in ein Radverkehrskonzept sein, auf das wir seit 3 Jahren warten und Teil eines Gesamtstädtischen Konzepts für eine nachhaltige Mobilität.
  • In der laufenden Wahlperiode wurden auf dem Gebiet Bad Honnefs so viele Bäume gefällt wie noch nie. Das gefällt den Honneferinnen und Honnefern nicht… und uns Grünen auch nicht. Wir sind für radikalen Wechsel der Parameter: Bäume schützen statt holzen! Dass beim Borkenkäfer erst ein Gericht die wild gewordenen Kettensägen stoppen musste, ist nur Beleg für eine radikale, einseitig unbelehrbare (und falsche) Grundperspektive. Und die Leute wissen sehr gut, was sie von pseudogrünen PR-Events wie einer feierlichen Baumpflanzung zu halten haben – denn sie sehen und erleben die Realität täglich.

Weitere Fehlentwicklungen:

  • Der zentrale Fachbereich Bauen und Planen ist durch viele Projekte überlastet, leider kommt wenig sichtbar zum Abschluss. Der Verzicht auf ohnehin nicht mandatierte Politik und politische Aktionen würden hier für Entspannung, auch in den Ausschüssen und der Bürgerschaft sorgen.
  • Die Stelle eines Controllers alten Stils wurde eingerichtet. Dabei ist es der Rat, der die Verwaltung kontrolliert. Hier wedelt der Schwanz mit dem Hund bei hoher Vergütung. Anfangs wusste man den Controller nicht auszulasten, doch schon im HH für das nächste Jahr soll er eine/n Zuarbeiter*in bei der Kämmerei erhalten: Prototyp des schwellenden Wasserkopfes. Teuer. Überflüssig. Abzulehnen.
  • Noch immer verstehen führende Planer Bad Honnefs Shared Space in dessen Funktion gar nicht, vertreten dieses ihr Kompetenzdefizit aber offensiv. Shared Space schafft zwar Domburg in der touristischen Boomzeit, bewältigt als umgesetztes Modell den Verkehr auf der größten und vollsten Straße der Londoner (!) Innenstadt – doch für die globale Kapitale Bad Honnef sei Shared Space nicht genügend leistungsfähig.
  • Werbebroschüren der Stadt erscheinen immer mehr. Sie haben zunehmend den Charakter von Wahlkampfflyern für die Kommunalregierung. Finanziert durch öffentliche Gelder. Erstellt von einer Agentur, die als teuer bekannt ist und wohl Honorare erhält, die der Rat jedoch weder kennt noch als solche beschloss. Derweil dümpelt die Stadtmarke aus gleicher Feder vor sich hin, und auch andere Ansätze wie der Kiezladen überrollten den Markt noch nicht wirklich furios.
  • Die Zahl der Stellen mit Einzelzimmer wächst. Gleichzeitig arbeitet das Gros der Verwaltung in unzumutbar bedrängten Verhältnissen. Ein Rathausneubau auf der grünen Wiese wäre teuer, die Innenstadt entvölkernd und bestenfalls zur Befriedigung von Eitelkeiten geeignet; also gehören Planungsmittel fokussiert eingesetzt für eine Lösung der Erweiterung – gern in den Räumen der KASch.
  • Immer mehr Leistungen und Konzepte, die zu den Kernaufgaben einer kommunalen Administration gehören, ernähren immer mehr externe Beraterfirmen. Ohne den Sinn kompetenter Beratung in Frage zu stellen, schlagen wir eine Revision dieser Entwicklung vor. Das würde Geld sparen und hauseigenen Kompetenzen fördern. Es gibt keine Ausschussbeschlüsse für Beraterhonorare. Sind diese alle gesplittet unter der Vergabegrenze?
  • Wie viele Wohneinheiten wurden in den letzten Jahren wirklich fertiggestellt? 108, 118, 110 oder weniger als hundert? Jedenfalls rangiert Bad Honnef im Rhein-Sieg-Kreis weit hinten. Macht aber die lautesten Sprüche. Für den kommunalen Planungschef heißt das: Seriöse Leistung erbringen statt über Phrasen Politik machen zu wollen. 100 bis 150 Objekte zu Verdichtung und Entwicklung allein im Tal sowie die Vernachlässigung Aegidienbergs durch eine fehlende Stadtteilentwicklung ohne weiterführende Schule und Mobilitätsanbindung zeigen deutlich, wo es anzusetzen gilt. Wo Mittel sinnvoll wirken können. Endlich Finger weg von Sportstättenbetonierung, Grünflächenvernichtung, wenig begabten oder zu teure Überplanungen erfolgreicher Areale unserer Stadt.
  • Die spätere Senkung angehobener Gebühren und Steuern wurde mehrfach versprochen. Statt solche seriös zu prüfen, wird über erneut erhöhte Friedhofsgebühren demnächst das Sterben in der Stadt noch teurer. Auch die Sportstättennutzungsgebühren sind wieder im HH avisiert worden. Die Parkgebühren verärgern weiterhin Gewerbe und Bürgerschaft.  Die Versprechen sind aber einzulösen. Das Leben in Bad Honnef ist so kostspielig geworden, dass dies zum Standortnachteil wurde. Familienförderung, Einwerbung von Neubürgerinnen und Neubürger und ganzheitliches Stadtmarketing sehen anders aus.
  • Es ist eine politische Entscheidung, wie hoch die Investitionen im Bereich Kinder und Jugendliche im Verhältnis zu andren Gebieten ausfallen. Das neue KIBIZ möchte die Eltern entlasten. Dass die Verwaltung hier die Mehrkosten mit Vorschlagen zur Kürzung aus der Produktbereich 06 Kinder, Jugend, Familienhilfe auffangen möchte, zeigt wie die Stadt ihre Schwerpunkte setzt. Wenn Kinder und Jugendliche die Zukunft sind, soll man dort investieren.

Bad Honnef nutzt die hohe Finanzkraft nicht, um eine gemeinwohlorientierte Entwicklung zu verfolgen, erkennbare Fortschritte im Klimaschutz zu realisieren und eine nachhaltige Mobilitätsentwicklung in Angriff zu nehmen sowie bezahlbare, energieeffiziente Wohnungsangebote zu schaffen.

Handlungsbereitschaft zu simulieren oder vorzutäuschen, trägt nicht zum Vertrauen in Politik und Verwaltungshandeln und einer nachhaltigen Stadtentwicklung bei – auch wenn der Eindruck entsteht, dass der Verwaltungsvorstand dies als Marketingstrategie nutzt.

Dazu leistet auch der im Vergleich zu anderen Kommunen relativ hohe Aufwand für Sachleistungen, Dienstleistungen und Personal im Verhältnis zur Gesamtsumme der Aufwendungen Vorschub. Obwohl in der Verwaltung sehr kompetente und engagierte Menschen beschäftigt sind. Sie hätten sicherlich einen Verwaltungsvorstand verdient, der nicht den Fokus auf eine quantitative Entwicklung der Stadt und die Selbstvermarktung des Bürgermeisters legt.

Einen HH und den Stellenplan lehnen Grüne nicht leichtfertig ab.

Wir sind weiterhin konstruktiv und stellen an dieser Stelle den Antrag auf Senkung der Grundsteuer B um 50 %Punkte.

Unser Fazit beziehungsweise unsere engsten Kernerwartungen sind:

  • Nichts planen gegen Klima- und Umweltschutz
  • Grün statt Beton
  • Einstieg in eine nachhaltige Mobilität und Umsetzung eines Radverkehrskonzepts
  • Keine weiteren Stellen für einen Verwaltungswasserkopf und Gelder externe Berater
  • Förderung von Transparenz und Teilhabe
  • Förderung des innerstädtischen ÖPNV und Verteidigung des Anschlusses von Bad Honnef an die Achse Köln – Bonn – Koblenz
  • Werbung für die Stadt statt Reklame für die Stadtregierung.
  • Qualität statt Quantität.

Und:

Es geht nicht darum, dass wenige Privilegienträger sich ihre Residenz noch schöner machen. Es geht um Lebensqualität für alle Honneferinnen und Honnefer. Für die Jungen sowieso, für die Alten ebenso.

Es geht um GEMEINWOHL!                                            

Für die Fraktion

Dr. Gabi Clooth-Hoffmeister (Fraktionssprecherin)

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2 Kommentare

  1. SUPER!!! Es fasst systematisch und sehr gut strukturiert alles zusammen, was ich hier zum Kotzen finde, seit ich 2016 wieder nach hier gezogen bin und feststellte, dass aus meiner Gebruts- und Heimatstadt eine FIRMA geworden ist, angeführt von einem seiltanzenden Seilschaftler. Viele Geschäftsleute und Gastronomen sowie Privatpersonen sprechen mich an, weil sie nicht wollen, dass das so weiter geht. Ich will es auch nicht. Viele fühlen sich drangsaliert. Das kann ich im einzelnen nicht nachrpüfen, denke aber, dass die Leute wissen, was sie sagen. Ich kenne keinen einzigen positiven Zuspruch zu dieser unverschämten und anmaßenden Regierungsbande. Jetzt erkenne ich, dass dieser groteske Politirre wieder antreten will. Der Mann ist ein amtsöffentliches Mißverständnis. Ich weiß nicht, wann die nächsten Wahlen sind. Wir sollten m.E.in Kampagne gegen den wieder antretenden nine-to-five Ignoranten gehen und – Einverständnis vorausgesetzt – Gaby als Kandidatin aufstellen, weil es nötig ist, damit unsere Stadt nicht vollends zur Beute wird. LG Dr. Norbert Körsgen M.A. Linzer Strasse 47a 53604 Bad Honnef

    1. Hallo Norbert,
      das ist ja ein recht drastisch formulierter Beitrag!
      Viele Grüße Kathrin Schulthess- Kaever