Sperrung der Weinberge in Rhöndorf – Burkhard Hoffmeister im Interview mit honnefshopping.de

eingestellt auf honnefshopping.de am 31. Juli 2013

Heute erhielten die Winzer Pieper und Broel den schriftlichen Bescheid der Bezirksregierung über das Betretungsverbot für ihre Weinberge. Damit besteht für sie die Möglichkeit, in Widerspruch zu gehen.

Burkhard Hoffmeister, Sprecher der Grünen in Bad Honnef und Heimatkenner, sieht in einem Interview mit honnefshopping.de weiterhin die Gefahr des Steinschlags am Siegfriedfelsen, hinterfragt den Aktionismus von Politikern und der Presse und sieht nun die Lösung der Felssicherung in greifbarer Nähe – wenn die Chancen genutzt werden. Und er lobt Bürgermeisterin Wally Feiden.

honnefshopping.de: Halten Sie die Entscheidung der Bezirksregierung aus Gründen der Mitarbeitersicherheit für richtig?

Burkhard Hoffmeister: In der Sache selbst gibt es nichts zu deuteln: Wer die drei Gefahrenbereiche gesehen hat, der kann die Gefährlichkeit der Situation nicht leugnen. Arbeiten in diesen Weinbergen ist tatsächlich nicht sicher.

Verkrampft flapsige Aussagen wie die, dass Erosion seit achthunderttausend Jahren besteht und Steine schon mal den Berg runter rollen, (wie es im Brief von Jörg Erich Haselier an den Petitionsausschuss steht, Anm. d. Red.) verharmlosen, stellen Honnef kein kompetentes Zeugnis aus und sind sogar Steilvorlagen für die Geologen des Landes, ihr Gutachten verteidigend zu erhärten. Der Drachenfels erodiert auf diese Weise nicht seit Äonen – er wurde von den Römern das erste Mal und von unseren eigenen Vorfahren im 19. Jahrhundert das letzte Mal heftig beschädigt. Seine West- und Südfront sind ehemalige große Steinbrüche, in denen an jeder einzelnen Stelle ihrer Oberfläche die Erosion seit weniger als 200 Jahren wirkt und stetig zunehmenden Schaden anrichtet.

Es ist also richtig, dass zum Schutz der Arbeitenden – und übrigens auch der Wandernden – etwas passieren muss. Was die Stadt als Verantwortliche für die Wegesicherung ganz genau weiß.

Ob es tatsächlich verhältnismäßig ist, die Saison 2013 für im Weinberg Angestellte de facto jetzt und per Federstrich zu beenden, darf bezweifelt werden. Der Erlass der Bezirksregierung konzentriert sich nicht zufällig allein auf den Arbeitsschutz und argumentiert hier aus einer recht starken Position heraus: Es ist in der Tat und unabweisbar gefährlich unterhalb der Felsen. Konsequenterweise betrifft der Erlass ‘nur’ die Entsendung von angestellten Arbeitenden; den Besitzerfamilien selbst, deren Angehörigen und Befreundeten kann der Erlass nichts verbieten.

Hinter dieser Sachlage gilt dann die Gesamtheit der von anderen vorgetragenen Argumente: es ist schon sehr speziell, wie sich Bezirskregierung über diesen thematisch äußerst fokussierten Erlass mit dem Gesamtproblem auseinandersetzt. Die Nicht-Berücksichtigung dadurch geschaffener existenzieller Probleme für die Familien der Betreiber und deren Angestellten ist m.E. natürlich ein Grund für bleibend kritische Nachfragen. So jedenfalls macht es sich eine Behörde deutlich zu einfach, mit Bürgerinnen und Bürgern umzugehen.

honnefshopping.de: Sie haben mit Experten gesprochen. Glauben Sie, dass die Steinschlaggefahr noch zunehmen wird?

Burkhard Hoffmeister: Ja. Sie wird zunehmen. So, wie diese Gefahr in jeder erst relativ kurz offenliegenden Felsformation steigt. Die Erosion destabilisiert zunehmend.

Eine sprunghafte Zunahme von Gefahr ist mathematisch unwahrscheinlich. Das Problem wird 2013 dem des letzten Jahres vergleichbar sein. Nur – wie gesagt und für jeden ernsthaft Interessierten vor Ort völlig ersichtlich – ist dort einiges tatsächlich instabil; weshalb niemand, wirklich niemand sagen kann: Es wird schon sicher alles gut gehen.

Wegen der bereits heute bestehenden Situation am Felsen und vor dem Hintergrund der tendenziellen und unabweisbaren Veränderung zu weiterer Gefährdung ist es vollkommen unabdingbar, jetzt wirklich zu sichern.

Dabei sei noch angemerkt, dass es in keiner Weise um grünen Glauben, meinen Glauben oder die Meinung der Bürgermeisterin geht. Das alles ist unerheblich. Es geht darum, das Problem sofort und unmissverständlich anzugehen und den im Weinberg Arbeitenden, kurz- wie langfristig, zu helfen. Diese beiden Ziele sollten alle Beteiligten verfolgen. Dass in solcher Situation der Hinweis der Bürgermeisterin, sie würde sich rechtliche Schritte gegen die Winzer ‘vorbehalten’, geradezu aberwitzig klingt, ist offensichtlich.

honnefshopping.de: Bislang wurde die Sicherung des Siegfriedfelsens  immer hinausgeschoben. Besteht jetzt die reale Chance für eine längerfristige Lösung?

Burkhard Hoffmeister: Ja. Eindeutig ja.

Bereits am Samstag waren die Weinberge Thema in Düsseldorf. Am Sonntag ging dies weiter, am Montag verständigten sich eine Reihe von Ministerien. Das ermutigt. Solche Bemühungen setzten kaum ein, weil der Rhein-Sieg-Kreis so besonders wichtig wäre oder hier jemand besonders laut gekräht hätte. Auch die Zielsetzung, jetzt und akut und zuerst den Winzern zu helfen, ohne die reale Problemlösung zu verdrängen, zeigt: Es ist die völlige Absurdität, die Existenzvernichtung dieser Betriebe zu riskieren im Umfeld der zügigen Bewältigung einer Gefährdung durch Natur.

Deshalb habe ich viel Verständnis für jedes Vorgehen, welches diese Prioritäten befolgt. Welches jetzt die Sicherung des lokalen Weinbaus nach vorn stellt und vorsichtig, vielleicht sogar leiser als manche laute Presseerklärung ist. Die betroffene Winzerfamilie Pieper jedenfalls verstand die Entscheidung, es von unserer Seite so anzugehen.

Nicht nur perspektivisch geht es dann um die Lösung der Gefahr durch Felssturz. Übrigens nicht nur am Siegfriedfelsen, sondern auch an der benachbarten Wand und an der oberhalb der Broelschen Weinberge. Denn Ihre Frage legt das Richtige nah: Heute besteht eine sehr große Chance, gemeinsam mit der Landesregierung, dem Kreis und den Städten Königswinter sowie Bad Honnef den Willen und die Finanzen zu finden, genügende Schutzmaßnahmen zu errichten. Von Seiten dieser möglichen Partner liegen genügend ernsthafte Signale vor, was genau jetzt geht und sein muss. Wir sollten das nutzen.

Schön wäre es, Folgendes nicht schreiben zu müssen – doch der Hinweis ist unbedingt notwendig: Wer heute an die Presse gibt, dass Er oder Sie die Landesregierung “in die Pflicht nehmen” will, handelt kontraproduktiv.  Kettenrasseln macht nicht nur wenig, sondern gar keinen Sinn. Die Landesregierung hat bereits 2011 durch die ‘geräuschlose’ Kostenübernahme des Gutachtens deutlich gezeigt, dass sie kooperiert. Ohne Verpflichtung, denn jeglicher Rechtsanspruch aus dem so gar nicht grünen Flurbereinigungsverfahren der 70er Jahre ist mindestens seit einem Jahrzehnt verjährt.

Die Landesregierung hat sich selbst in die Pflicht genommen. Hoffen wir mal, dass zwischen allen lauten Tönen aus dem Rathaus und dem Drohen samt Unverständnis und Empörung die Stadt Bad Honnef sich auch in dieses Boot setzt. Königswinter hat Beteiligung signalisiert. Der Rhein-Sieg-Kreis duckt sich noch, könnte jedoch bei einer solchen Entente wohl kaum außen vor bleiben. Der VVS kann als Kompetenzpartner hinzugezogen werden – denn sein Jahresetat spielt nicht in dieser Liga, die Finanzhilfe ermöglicht; sein Verdienst ist das vielhundertfache Ehrenamt der Engagierten.

honnefshopping.de: Welchen Weg müssten Stadt und Winzer jetzt einschlagen, um schnell ans Ziel zu kommen?

Burghard Hoffmeister: Die Stadt sollte ganz schnell den Weg wiederfinden, auf dem Frau Feiden 2011 in Düsseldorf einen grünen Staatssekretär bewegen konnte, zu helfen und Kosten für das Gutachten zu übernehmen, übrigens eine gute Arbeit der Bürgermeisterin. Das bedeutet Umgänglichkeit und Gemeinsamkeit signalisieren. Insbesondere sollte sie sehr schnell den Anschluss gewinnen an das, was in der Landesregierung gerade als konzertierte Hilfsaktion in Eile wächst.

Bei Fragen kann der VVS unserer Verwaltung bestätigen, dass in Sachen des Siebengebirges Düsseldorf stets und ausnahmslos zuverlässiger Partner ist. Die sofort einsetzenden konstruktiven Bemühungen von mindestens vier diverser Ministerien lässt erahnen, dass es auch diesmal nicht anders sein wird.

Die Landesregierung hätte auch die Macht, mit Erfolgsaussicht der Bezirskregierung einen Vorschlag zu machen und ihr mit sanftem Nachdruck partnerschaftlich den Weg zu weisen: den Maßnahmekatalog des Erlasses zu unterteilen. Einerseits in die Maßnahmen der Geländesicherung, die dann auch zum Honnefer Nutzen noch für dieses Jahr beginnend terminiert werden müssen. Nur auf diesem Hintergrund der tatsächlichen Lösung ließe sich andererseits eine ganz wesentlich auf Beobachtung basierende spezielle Phase definieren, in der drei Monate lang die Arbeitskräfte im Weinberg sein dürften.

Die Stadt könnte zudem den Kreis jetzt ansprechen. Ihre Bereitschaft signalisieren, sich an einer Lösung kooperativ zu beteiligen. Gleiches bietet sich mit Königswinter an. Auch hier partnerschaftlich und bescheiden, ohne das dick aufgetragene Eigenlob vom Montag. Dann trifft auch zu, was die Stadt meint, wenn sie sich ‘seit Jahren immer wieder’ um das Thema gekümmert haben will.

Die Winzerfamilien kennen die Bemühungen und den Willen zur Lösung. Ihnen mag das eine Hoffnung sein, doch sind sie richtigerweise nicht inaktiv geworden. Der in Düsseldorf gerade besprochene Ansatz, vor allem der der Unterteilung der Maßnahmen, wäre ja auch die Blaupause für den Vergleich in einem möglichen Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht – so es denn notwendig wird.

honnefshopping.de: Was sollten die beteiligten Institutionen und Betriebe hinsichtlich einer konstruktiven Lösung auf keinen Fall tun?

Burkhard Hoffmeister: Da wir uns entschieden haben, zunächst eine Lösung für die Betroffenen zu suchen, werden wir jetzt nicht Ratschläge verteilen. Von diesem zunächst leiseren Weg sind wir auch überzeugt. Betrachten Sie z.B. das Weingut Pieper: zwei Betreibergenerationen und sechs Mitarbeiter im Alter über 50, im Schnitt gut 25 Jahre Betriebszugehörigkeit, kaum Aussicht auf Alternativen. Da lohnt Unterstützung wirklich.

Natürlich wäre es schön, wenn Politik hier zeigen würde, dass es auch jenseits aller Wahlkampfvorbereitung ginge in einem Thema, das derart offensichtlich nicht parteipolitisch ist. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn vor dem Verfassen von Presseerklärungen und auch Briefen bedacht würde, was diese Elaborate dann tatsächlich bewirken, anrichten oder als Konsequenzen nach sich ziehen.

Zum Handeln der Stadt, in der ja auch unsere Partei Verantwortung trägt, machen wir es konkreter. Unser Rat heißt:

  • ganz schnell runter von dem Ross, erst einmal andere lautstark verantwortlich machen zu wollen,
  • sich bewusst machen, dass Bad Honnef das Problem seit Jahren kennt – und nicht lösen konnte,
  • wissen, dass in dieser großen Grauzone allein die Kommune Bad Honnef eine klar definierte Verantwortung trägt: die verbriefte Pflicht zur Wegesicherung,
  • deshalb die Hände derer ergreifen, die bereits konstruktiv an einer Lösung arbeiten,
  • auf Effekte verzichten, denn wenn sie dem Effekthascher gefallen, dann missfallen sie anderen,
  • von Gemeinsamkeit reden statt von Druck oder Verpflichtung stets anderer.

Schlicht die Chancen nutzen.